Wildenreuth von 1300 – 1636


Wie die ganze Gegend, so war auch Wildenreuth vor dem 30-jährigen Krieg in ziemlich guten Verhältnissen. Ein sicherer Maßstab für den Wohlstand eines Landstriches dürfte wohl die Steuerkraft seiner Bewohner sein. Betrachten wir von diesem Gesichtspunkt aus diese Gegend, so kommen wir zu ganz interessanten Zahlen. Im Jahre 1581 waren Wildenreuth und seine Nachbardörfer Frodersreuth, Gössenreuth, Neuenreuth, Steinbach und Steinreuth mit einem Besitz von nahezu 12.000 Gulden zur Türkensteuer veranlagt.

Im Jahre 1616 bezahlten dieselben Orte an Steuer 150 Gulden, 45 Kreuzer, ein ganz ansehnliches Sümmchen, wenn man bedenkt, daß ja außer der Steuer noch allerhand Lasten auf den Anwesen ruhten wie Zehent, Fron und Scharwerk usw. Die Höhe dieser Summe fällt durch den Vergleich noch mehr ins Auge. Der Hof des jetzigen „Ullenbauers“ (Haus-Nummer 55) mit seinem gesamten Besitz galt 150 Gulden, 1 Kuh kostete 6 Gulden, 30 Eier bekam man für 10 Kreuzer.

Namenloses Elend und entsetzliches Unheil brachte der 30-jährige Krieg. In ganz kurzer Zeit war diese blühende Gegend verwüstet, der Wohlstand vernichtet.

Im Frühjahr 1621 fiel Ernst von Mansfeld mit seinen Horden in die Oberpfalz ein. Der Chronist Staudt berichtet, daß sie „viel Gottloses und Schandbares getan haben an Weibern und Kindern, daß mancher vor furchtbarer Marder gestorben ist oder siechblieb sein Leben lang“. Der Volksmund schiebt viele Schandtaten meist den Schweden zu.

Die schreckliche Zeit für unsere Gegend begann jedoch erst nach den großen Schlachten bei Breitenfeld 1631 und Lützen 1632 als der Kriegsschauplatz nach Süddeutschland verlegt wurde.

Am 1. Juli 1632 zog Wallenstein mit seinen Truppen in Stärke von 60 000 Mann von Tirschenreuth über Weiden, Amberg, Neumarkt zur alten Veste bei Fürth. Dieser Marsch erfolgte in breiter Front und großer Tiefe. Teile dieser Armee kamen am 5. Juli 1632 auch durch Wildenreuth. Dieser Tag sollte für Wildenreuth ein Schreckenstag werden. Der Volksmund berichtet, daß die kaiserlichen Reiter bereits durchgezogen waren, als ein Nachzügler durch einen Schuß aus dem Hause Nummer 41 vom Pferd gestreckt wurde. Das Reiterlose Pferd wäre den Truppen nachgelaufen. Die Kameraden des Getöteten seien darauf umgekehrt und hätten das Dorf in Brand gesteckt.

Die Verbrennung des Ortes durch kaiserliche Reiter am alten Johannistage 1632 (jetzt 5. Juli) ist geschichtliche Tatsache – über die Ursache ist in Urkunden nichts gefunden worden.

Im Jahre 1634 bekam Wildenreuth wiederum Kriegsnot zu spüren.
Kaiserliche Kavallerie und kroatische Hilftruppen hatten Tirschenreuth besetzt. Am 7. Februar 1634 gingen die Schweden von Weiden aus gegen Tirschenreuth vor. In der Nähe von Wildenreuth stießen Teile der aufklärenden Kavalerie, schwedische Kürassiere und kroatische Reiter aufeinander. Bei diesem Scharmützel scheint es ziemliche Verluste gegeben zu haben, da eine Menge von Hufeisen, Waffenstücken, Sporen usw. gefunden wurden. Der Volksmund bezeichnet diese sonderbar geformten kleinen Hufeisen als „Schwedeneisen“; die schwedischen schweren Stoßpferde haben aber ungleich größere „Schuhe“ getragen, es sind die Eisen der kroatischen Pferde. Der ehemalige Forstmeister von Eschenbach und Pressath, Hans Gruber, der im schwedischen Heer diente, berichtet, daß er am 22. März zu Wildenreuth 300 Kroaten angetroffen, davon 20 von seiner Reiterabteilung niedergemacht, 20 Mann gefangen und 60 Pferde erbeutet wurden.

In der Umgebung von Wildenreuth wären an die 2.000 Mann alamiert worden, von denen in den Kämpfen an die 60 gefangen und niedergemacht wurden, Insgesamt wäre die kroatische Kavallerie 4.000 Pferde stark gewesen.
Bei solchen Quartierlasten nimmt es nicht Wunder, wenn die Gegend verarmte und langsam verödete. Die Schweden hielten sich ebenfalls das ganze Jahr in der Nähe auf. Eine größere Abteilung hielt längere Zeit die Burg Parkstein belagert, die der Burghauptmann Peter von Sazenhofen wacker verteidigte. Ohne Erfolg zogen die Schweden im Herbste ab, jedenfalls infolge der am 27. August 1634 bei Nördlingen erlittenen Niederlage ihrer Hauptarmee.

Aus dieser Zeit soll noch ein Erdwerk, eine sogenannte Schwedenschanze in der Waldabteilung „Kuhberg“ am Moritzfleck stammen. Die drei hintereinander liegenden Wälle mit Graben sind noch gut erkennbar. Auch die strategische Lage wäre für die Anlage einer Befestigung günstig. Vielleicht könnte diese Stelle durch Sachverständige einmal untersucht werden, ab es sich wirklich um eine Befestigungsanlage aus dieser Zeit handelt.

Geradezu trostlose Verhältnisse herrschten im Jahre 1636 in Wildenreuth.
Die ganzen Höfe sind baufällig, verwüstet und öde. Ein großer Teil der Bewohner ist verstorben oder weggezogen, andere gehen betteln. Weder Vieh noch Fahrnisse sind vorhanden. Kaum aufgebaut, sind viele Häuser wiederum weggebrannt. „Gestorben und verdorben“ – dieser Ausdruck kehrt immer wieder.

Im nachfolgenden nur eine kleine Auswahl:
• Andreas Zeitler, ein baufälliger, verwüsteter Hof, ist zugrund weggebrannt, nichts angebaut. Vieh und Fahrniss ist weggekommen – ist nichts im Vermögen vorhanden.
• Hans Nager, ein halber baufällig verwüsteter Hof, wird nichts angebaut, Fahrniss und Vieh ist weggekommen.
• Hans Steiner, Zimmermann, ist weggezogen, das Häuslein ist eingefallen.
• Oswald Steinhauser ist verstorben, das Häuslein ist eingefallen.
• Dietrich Demmler ist auch gestorben.
• Elias Kepler ist tot.
• Hans Heupibl, ein Hof in Gössenreuth, welcher sehr verderbt und alles zerschlagen. Fahrnisse und Vieh sind durch Kriegsvolk weggenommen worden.
• Hans Grünwald, ist alles gestorben und verdorben, ein Hof und liegt alles miteinander öd.

Gössenreuth zahlte beispielweise
im Jahre 1581: 12 Gulden 40 Kreuzer
im Jahre 1616: 15 Gulden 45 Kreuzer,
im Jahre 1636: jedoch nur 3 Gulden 56 Kreuzer
und das bei verschärfter Steuer infolge der hohen Kriegskosten.

Im darauffolgenden Jahr ist es wohl schon etwas besser geworden, aber immerhin stehen noch 23 Anwesen öde. Die Bewohner sind zum Teil in böhmische Kriegsdienste getreten, zum Teil verstorben.

Seite 22 des Steuerbuches 1637 (Amt Parkstein No. 698 im bayerischen Staatsarchiv Amberg) lautet:
Willibald Hutzler ist alles verstorben
Hans Steiner ist ingleichen alles verstorben
Oswald Steinhauser, jetzt Hans Rosenschon, zahlt großer Armut halber 15 Kreuzer Steuer
Dietrich Deucher, ist alles abgestorben
Elias Kepler, ist ebenfalls alles verstorben
Erhard Braitengraser ist in Kriegswesen, das Häuslein stehet öd.

Hans Rast ist verstorben
Hans Pollwein weggezogen
Georg Neber gehet bettelnd
Martin Kahl ist weggezogen
Hans Fuchs, Hüter, ist gestorben

Symon Neumayer, hält sich nicht bei Haus auf, wandert im Land hin und her, der Hof bei 300 Gulden Wert stehet öd.
Erhardt Linoard, ein halber Hof,
Andreas Wagner, ist in Böheimb (Böhmen), der halbe Hof stehet öd. 1 Gulden 9 Kreuzer
Von 14 steuerpflichtigen 1 Gulden 24 Kreuzer! Und so geht es Seite für Seite weiter.

Wieviel Schrecken, welches Leid bergen wohl diese wenigen Worte! Viele waren es, die trotz dieser unsicheren Zeiten die Hoffnung nicht verloren und trotzig aushielten. Plündernd und raubend löste ein Regiment das andere ab – ob Freund oder Feind beachtete längst niemand mehr. Der Krieg muß den Krieg ernähren, hieß es. Sie zogen erst weiter wenn vom Bauern nichts mehr zu holen war. Was die Soldaten und ihr Troß nicht aufzehren konnten nahmen sie mit.

Der ehedem so blühende Bergbau liegt vollständig darnieder, da die Bergleute alle weggezogen waren. Am Galgenbach steht zwar noch eine Schmelzhütte – jedoch schon seit Jahren außer Betrieb.

Doch alle Schrecknisse des Krieges bringen viele Bauern nicht zur Verzweiflung. Mit verbissenem Trotz fangen sie immer wieder von vorne an; 1636 ist nicht ein Stück Vieh in Wildenreuth vorhanden, 1637 sind es schon wieder 15 Kühe und einige Kälber. Trotz Hunger, Seuchen und Kriegsfurcht harrten viele auf ihrer Scholle aus:
In Wildenreuth: Simmerl, Steinhauser, Rosenschon, Fichtner
In Gössenreuth: Häupler, Schieder, Ullmann, Trötsch
In Neuenreuth: Grünbauer
In Steinbach: Trötsch, Schieder, Schieder, Knodt,
In Bach: Lehner, Lehner.

Vor 1600 sind von diesen schon auf ihren Höfen:
Fichtner, Wildenreuth,
Grünbauer, Neuenreuth,
Schieder, Schieder, Steinbach.

Vor dem 30-jährigen Krieg (1616) waren schon ansässig:
Steinhauser, Simmerl in Wildenreuth,
Knodt (jetzt Geißelhof) in Hauxdorf,
Lehner (jetzt Bach) in Obersdorf,
Krauß (jetzt Wildenreuth) in Parkstein.

Die Zahl wäre noch höher, wenn nicht eine große Zahl von Familien in den letzten Jahrzehnten ausgestorben oder abgewandert wäre, zum Beispiel die Deucher, Bschierer, Zeitler, Witt, Schreml, Ott, Steiner, Wißmath, Rast usw..

In den folgenden Jahren ist unsere Gegend immer noch der Schauplatz zahlloser Plünderungen und Raubüberfälle, wenn auch für Wildenreuth 1637 – 1640 keine näheren Berichte vorliegen, dafür aber für Reuth, Erbendorf usw.

Eine genaue Aufstellung über die quartierlasten in Wildenreuth und den Nachbardörfern ist uns im Staatsarchiv Amberg (No. 436 Akt II) erhalten geblieben. Soldaten vom Kolbischen Regiment unter einem Obristleutnant und Kürasiere unter Rittineister Horneckh (v. Hoheneck?) waren in der Zeit vom 6. – 20. April 1641 hier und in der Umgebung im Quartier. Im Raume des Rittergutes Wildenreuth, also Neuenreuth, Steinbach, Bach usw., lagen ungefähr 130 Mann und 170 Pferde.

Nachfolgend einen Auszug aus der aufgestellten Liste über Quartierkosten.
In der verhältnismäßig kurzen Zeit von 14 Tagen verbrauchten diese:
140 Eimer Bier (1 Eimer = 60 Maß = 64, 14 Liter)
1 fünfjährigen Ochsen
10 Rinder
31 Kälber und Ziegen
8 Mast- und 18 sonstige Schweine
440 Pfund Fleisch
53 Pfund Fische
34 Hennen
20 Schock Eier
139 Maß Schmalz
33 Achtel Korn
271 Achtel Haber
44 Fuder Heu und 23 Schock Stroh

In Summa summarum, alles aufs geringste angeschlagen, 997 Gulden, 44 Kreuzer an Unkosten, das sind zu dieser Zeit: 41 Stück fünfjährige Ochsen oder 40 Pferde oder 4 große Höfe. Diese Zahlen sprechen für sich. Hinter dem Heure blieb eine große Wüste. Es wird leicht einleuchten, daß während des 30 Jahre währenden Kampfes kein Gebiet, in dem etwas zu holen war, verschont blieb.

Alles seufzte erleichtert auf, als der westfälische Friede in Kraft trat, doch wirkten die furchtbaren Verheerungen, die dieser lange Krieg verursacht hatte, noch lange nach Abschluß des Friedens nach, ja teilweise waren sie gar nicht mehr gutzumachen. Der Landbau war so tief herabgesunken, das mancher Bauer sich den Kriegszustand zurück wünschte. Viele verließen das Land, um Kriegsdienste in aller Herren Länder zu nehmen, viele Güter konnten von ihren Besitzern nicht mehr bewirtschaftet werden. Das dürfte auch die Ursache für den oftmaligen Wechsel des Besitzers in unserer Gegend sein.

Die Mächtigen, weit entfernt dem Volke aus seiner Not zu helfen, bedrückten es viel mehr aufs äußerste durch Steuern und Abgaben. Was half es, daß der Hofmarksherr sich für seine bedrückten Untertanen einlegte – die Landesregierung und St. Bürokratismus ritt schon damals seinen langsamen Amtsschimmel. Die wirtschaftlichen Schäden wurden allmählich behoben – aber der geistige Kampf zwischen den Konfessionen tobten unvermindert weiter.

Der vor dem Krieg hier und in der nächsten Umgebung blühende Bergwerksbetrieb war restlos vernichtet. 1637 stand noch am Galgenbach eine Schmelzhütte, die für den Bergbau bei Steinbach errichtet wurde; doch war sie schon seit Jahren außer Betrieb, da die Bergleute sich schon in andere Gegenden Deutschlands geflüchtet hatten.

Balthasar Schieder, so Herrn Obristleutnant unterhalten (verpflegen) helfen, hat im Haus gehabt 4 Personen und 11 Pferde. An Speis und Trank sowie FURAGI ist aufgegangen:

4 Eimer Bier a 1 1/2 Gulden = 6 Gulden
3 Achtel Korn im Hause aufgegangen
2 Achtel Korn so beim Aufbruch aufgeladen worden, 3 Gulden 45 Kreuzer
1 jähriges Öchslein geschlachtet, 5 Gulden 30 Kreuzer
1 Saugschweinlein abgestochen, 48 Kreuzer
4 Hennen hergegeben, 1 Gulden
6 Pfund Rindfleisch gekauft, 30 Kreuzer
1 Saugkalb abgestochen, 2 Gulden
2 Kitze, 24 Kreuzer

An dem Gewürz sofür Herrn Obristleutnant gekauft worden hat er (der Hofeigentümer) zahlt:
5 Maß Schmalz hergegeben, 1 Gulden 50 Kreuzer
1 Napf Salz gekauft, 1 Gulden 5 Kreuzer
20 Eier aufgegangen, 1 Gulden 6 1/2 Krz
4 Fuder Heu, 8 Gulden
2 Schock Stroh, 2 Gulden

oder Lorenz Deucher, bei welchem der Wachtmeister gelegen
2 Eier 44 Maß Bier, 4 Gulden 6 Kreuzer
1 Eimer 4 Maß Bier so er zu Neustadt geholt, 2 Gulden 8 Kreuzer
2 Napf Brotkorn, 19 Kreuzer
1 1-jähriges Rindlein geschlachtet, 5 Gulden
1 Schwein, 2 Gulden
2 Hennen, 30 Kreuzer
5 Maß Schmalz, 15 Kreuzer
40 Eier, 13 Kreuzer
6 Achtel 4 Napf Hafer verfüttert, 3 Gulden 12 Kreuzer
2 Achtel 4 Napf Gemischtes auf den Weg mitgenommen, 1 Gulden 48 Kreuzer
1 Fuder Heu, 2 Gulden
1/2 Schock Stroh, 30 Kreuzer

Hans Adam von Sparneckh auf Reuth berichtet am 23. Oktober 1638 nach Sulzbach, wie in Reuth und Umgebung die Kriegsvölker gehaust haben.
Er schreibt:
„ …. gebe ich zu vernehmen, wie des verwichenen 7., 8., 9. dieses Monats oktobris sich auff das gantz extrema ruinirte guth Reith, plötzlich eine gantze compania coppaunische Reitter einlosiert, welche dermaßen Übel gehaust im Schloß und allenthalben, auch mit dem Leben gedroht, in den Städeln schändlich umgegangen, daß es nicht genugsamb zu beklagen. Wie sie uns dann die Weyer und Behälter abgezogen und was sich vorher in den Kästen (Fischkästen) befunden, noch über 10 Zentner derselben hinweggenommen ….“

Der ganze Zehentbetrag wurde von ihnen mutwillig verderbt.
Wie die Soldateska hier hauste, so erging es den ganzen Dörfern hier.
Es ist also leicht erklärlich, daß die Bauern Haus und Hof verließen. So haben beispielweise die Höfe in Gössenreuth im Zeitraum von 50 Jahren 4 mal, manche sogar 6 mal den Namen der Besitzer gewechselt.

Die Herrschaft Wildenreuth umfaßte in der Zeit von 1636 unter Erdmann Ernst von Pudewels folgende Orte und Höfe:
Wildenreuth mit 48 Hintersassen
Frodersreuth mit 9 Hintersassen
Steinbühl mit 4 Hintersassen
Birkenreuth mit 2 Hintersassen
Gleißenthal mit 11 Hintersassen
Plern mit 1 Hintersassen
Püllersreuth mit 1 Hintersassen
Kestelmühle mit 1 Hintersassen
Gössenreuth mit 6 Hintersassen
Pleisdorf mit 1 Hintersassen
Obersdorf mit 2 Hintersassen