Wildenreuth von 1648 – 1700


So wird im Jahre 1666 die Wiederaufrichtung des umgefallenen Galgens mit allen Mitteln zu hintertreiben versucht, in dem der Herrschaft zu Wildenreuth die höhere Gerichtsbarkeit bestritten wird. Das war ein einfacher Kniff, da die Landesregierung die betreffenden Akten in ihrem Archiv streng hütete und die Hofmarksherren nach den Bränden des vorhergegangenen Krieges zum größten Teil ihre Urkunden, in denen ihre Rechte verbrieft waren, verloren hatten. Die Kanzlei von Pfalz Nauburg schreibt im Jahre 1666 an Erdmann Ernst von Pudewels, daß sich zur Zeit über die Halsgericht-Gerechtigkeit noch keine Nachricht fände. Auch könnte aus den Wörtern des Lehensbriefes, „Statt und Bergwerckh“ nicht gemutmaßt werden daß etwa in gar uralter Zeit daselbst möchte ein Bergstädtlein oder Markt gewesen sein, so das Privilegium des Halsgerichts unter anderen Berg- und Stadt-Privilegien mit gehabt und als solches durch die in alten Zeiten vorgegangenen „Böhmer excursiones“ (Husittenkriege) und Kriegsüberfälle und dabei verübter Plünderungen und Verbrennungen etwa in denen Gewalt gekommen und mit der Zeit gar zu Grunde gerichtet worden, die dabei gewohnten Edelleute zur Wüldenreuth wegen der nahen Gelegenheit sich des Platzes und der Bergwerksnutzung untermaßet (bemächtigt) und damit sie titulam ( = Rechte dazu bekommen möchten, solches mit den vorher besessenen Stadtgerechtigkeiten von den Böhmen recognociert.)

Weil man aber nicht findet, daß von Parksteinischer Oberlandesherrschaft den Besitzern zu Wildenreuth das exercitium (Übung, Ausübung) dieser vorberührten, von der Krone Böhmen im Lehen Recognocierten und praetendierten ( = in Anspruch genommen) Gerechtigkeiten ehemals sei zugelassen worden ohne daß dieselbe zur Continuirung (=Fortsetzung) ihrer Praetension (= Anmaßung) darauf einen Galgen errichtet oder stehen gehabt usw. sei es ihnen nicht gestattet worden und der jetzige Pudewelß sogar mehrmals gestraft worden. Auch sei diesem am 11. Dezember 1666 ausdrücklich verboten, den Galgen wieder aufzurichten. Zudem finde sich auch in der Parksteinischen Registeratur, daß Herr Landrichter de la Haye am 21. Juni 1641 (also noch während des Krieges, wo Wildenreuth in größter Not war und ganz darniederlag!) wider die Aufbauung protestiert und Wenzel, Fürst von Lobkowitz, an ihn geschrieben und daß nach Neuburg Bericht ergangen wäre".

Erdmann Ernst von Pudewels kümmert sich jedoch um kein Verbot, Pocht auf sein Recht und baut den Galgen ohne Erlaubnis wieder auf. 30 Jahre später entbrennt aufs Neue der Streit, als der Galgen wiederum baufällig wird.

Am 16. Januar 1698 berichtet der Landrichter von Parkstein nach Sulzbach, daß sich befunden habe, daß zwar die Inhaber zur Wildenreuth Stock und Galgen von den Königen in Böhaimb (= Böhmen) mit Stadtrecht und Gerechtigkeit zu dem allda befindlichen Silberbergwerk empfangen, aber daß sie auch solch sehr fragliche Jurisdiction (= Gerichtbarkeit) extra des Bergwerks und zwar sogar auf die Landes- oder die im Dorf Wildenreuth wohnhaften Untertanen, als welches Schloß und NB. Dorf Wildenreuth Formalia des Lehensbriefes, der von den Markgrafen zu Bayreuth herrührt, auf einen gewissen, außer des Bergwerks vermeinten Distrikt extendirn (= ausbreiten) wollten, ist ihnen nit zugelegen. Es sei auch von hieraus dagegen protestiert,auch einmal sogar durch hiesiges Amt hinübergefallen (= durch bewaffnete Reiter), ein Gefangener aus Eisen und Banden ausgehangen (= befreit) und mit nach Parkstein genommen worden.

Zudem ist auch nicht erfindlich oder anzunehmen, daß die böhmische Zehensrecognition von Landesfürstlicher Herrschaft approbirt (= genehmigt) worden. Insonderheit aber hat es allzeit großen Streit abgeben, wenn (wie es wieder der Fall ist) der Galgen eingefallen und wieder ein neuer gesetzt werden wolle, Als wie z. B. 1592 unter Abraham von Brand und 1641 bei Friedrich de la Haye Zeit, da der Galgen bei Wildenreuth schon 30 Jahre (Welcher 2 Säulen gehabt) eingefallen gelegen und vom Vater des jetzigen Pudewels bei de la Haye Zeiten wieder ohne Erlaubnis mit 3 Säulen aufgerichtet worden.

1651 bei des von Labricon Zeiten und dann absonderlich letzthin bei meines selig abgelebten Vaters Freiherr von Weveld und des Erdmann Ernst von Pudewels Zeiten 1663, 1664, 1666 und 1667 ist verboten worden, diesen Galgen wieder aufzurichten.

Allein dieser Pudewels hat selbigesmal und zwar im Januar 1667 unerwartet und eilfertig anstatt des eingefallenen wieder einen anderen mit 3 Pfählen aufrichten lassen.

Spätere Gesuche werden immer wieder mit der Begründung abgewiesen, daß die Landesherrschaft im ganzen Gemeinschaftsamt das Malefiz (= Recht über Leben und Tot) habe. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß die hohe Gerichtsbarkeit, wenn sie wirklich einmal bestanden hätte oder bestanden haben sollte, nur auf das Gebiet des Bergwerks und auf die Bergleute des früheren Gold- und Silberbergwerks sich erstreckt habe, dieses werde aber seit langer Zeit nicht mehr betrieben.

Der in diesem Streit öfters erwähnte und angeführte Erdmann Ernst von Pudewels war, wie aus allen Urkunden hervorgeht, ein äußerst tatkräftiger Herr, der sich vor keinem Menschen beugte. In zahlreiche Händel mit Landesregierung und Nachbarherren verwickelt, wollte er nur das Beste für sein Landsassengut. Beschwerden ohne Zahl laufen über ihn bei der Landesherrschaft ein.

Im Jahre 1663 bereits wollte er dem "Dorfe" Wildenreuth städtische Rechte erwirken, Marktrechte mit 4 Bürgermeistern und mehreren Ratsherren erteilen und einen Fastenmarkt erteilen. Seine Hofmark erweiterte er durch ausgesteckte Grenzpfähle.

Als selbstverständlich verlangte er die Ausübung des Halsgerichts.

Es ist einleuchtend, daß ihm die Landesherrschaft dieses Vorgehen schwer verübelte, wiewohl dies angeblichen "Neuerungen" urkundlich verbriefte Rechte von altersher waren, die Wildenreuth Kaisern und Königen erhalten hatte. (Siehe die Verleihung des Silberbergwerks 1383) Anscheinend war diese Urkunde der Landesregierung nicht bekannt (Oder sie wollte diese aus erklärlichen Gründen nicht kennen!), denn Erdmann Ernst von Pudewels wurde zur Verantwortung nach Weiden gerufen. Da er aber nicht erschien, wurde er mit Strafe belegt. Daß er aber im Rechte war, beweisen Urkunden viel jüngeren Datums als die oben angeführte.

Am 10. Oktober 1578 wird wiederum die Fortführung des Silberbergwerks usw. konzentriert, das Halsgericht zu Wildenreuth neu bestätigt und die Wiederaufrichtung des umgefallenen Galgens ausdrücklich genehmigt. Ebenso wurde am 25. Juni 1602 Reithard Wild (der letzte Wild auf Wildenreuth), Vorgänger des Hans von Pudewels, (siehe Lehner:"Aus dem Sagenschatz des Steinwaldgaues"Seite 70, No. 106) von Kaiser Rudolf II., mit den Silbergruben auf dem Gebirge des Dorfes Wildenreuth neu belehnt.

Alles war vergeblich, Erdman Ernst von Pudewels konnte seine Forderungen nicht durchsetzen. Welchen Aufschwung hätte dies für unser stilles Dörfchen bedeutet! Handel und Gewerbe, schon ehedem sehr ausgedehnt, hätten eine neue Blütenzeit bekommen.

Im Jahre zuvor, 1662 wurden die sogenannten "Landfahnen" neu errichtet. Diese Landesdefension, das Aufgebot der Bauern, bildete schon vor dem 30-jährigen Krieg neben den Söldnertruppen einen Teil der Wehrmacht. (Neben diesen "bewaffneten Landfahnen" wurden auch Mannschaften zum Auswerfen von Schanzen usw., "Schanzbauern" genannt, aufgeboten. Diese Schanzbauern waren die Vorläufer der späteren "Pioniere".) Erdman Ernst von Pudewels war Landeshauptmann der Kompanie von Erbendorf. In dieser Eigenschaft kam er mit dem "Bürgermeister und Rat der Stadt Weiden" in Konflikt, weil er ihnen 4 Hintersassen zu Bach, Püllersreuth, Nottersdorf und Gerbersdorf wegnahm, welche ernmit Gewalt zu seiner Compagnie nötigen thue".

Am 15. Mai 1666 macht die Stadt Weiden an den Kurfürsten Christian August von Sulzbach eine Eingabe und erinnert daran, das Hochderselbe eine Generalmusterung in Stadt und Land befohlen und hiezu die Stadt Weiden 2 Compagnien stellen müsse. Nun aber unterstehe sich der Hochherrschaftliche Landeshauptmann Erdman Ernst von Pudewels, aus den Höfen ihrer Hintersassen zu Bach usw. für seine Compagnie schon öfter und zwar das letzte Mal mit Zuhilfenahme von 16 bewaffneten Musketieren Leute gewalttätig hinweggenommen und zum exercieren gezwungen habe.

(Anmerkung: Die Hintersassen der Stadt Weiden, von denen hier die Rede ist, waren zu Gerbersdorf: Lorenz Deucher und L. Schmiedt
zu Notteradorf: Nickl Bunzmann und Hans Bauernfeind
zu Bach: Hans Weidner
zu Püllersreuth: Georg Mühlmeier)

Churfürstliche Regierung möge, nicht bloß, weil besagte 4 Hintersassen ihre in diesen Kriegszeiten lang öde gelegenen Höfe wieder aufbauen sollten, sondern weil auch die Weidner Mannschaft hiedurch geschwächt werde, verfügen, daß besagte Hintersassen wieder zur "Weydner Roll" (=Stammrolle) inbegriffen und diese ihr Exercitium gegen den Landfeind wieder in Weiden suchen sollen.

Nach verschiedenem Hin- und Herschreiben gibt der Landrichter zu Weiden dahin Bericht, daß es für die 4 Bauern besser sei, nach Erbendorf in die dortige Companie zu gehören, wie sie eigentlich in der Musterung von der Comißion durch Herrn von Weveld selbst zugeteilt worden seinen,
1. weil nun eine zweite Companie in Erbendorf aufgestellt und
2. sie des Weges näher dahin hätten.

Pfalzgraf Christian August von Sulzbach tut dann in einem Schreiben vom 17.August 1666 dem Bürgermeister und Rat von Weiden kund, daß es nach eingeholtem Bericht so zu Recht sei und die Weidner keine Ursache hätten, sich dawider zu beschweren.

Diese Erbendorfer Companie zählte im ganzen 280 Mann. Hauptmann war Erdmann Ernst von Pudewels auf Wildenreuth, Johann Paul Weickmann auf Sigritz Leutnant, Fähnrich Hans Lorenz von Peoprechting auf Döltsch. Einer Bittschrift vom 1. Dezember 1667 ist eine Zugordnung der Erbendorfer Landcompanie beigegeben.

Den Zug eröffneten 2 Zimmerleute mit Hacken und Reißzeug samt Degen an der Seiten, ihnen folgten die Leibschützen des Hauptmanns, dann die 2 Wundärzte, darauf der Hauptmann. Hinter ihm gingen der Feldwebel, 3 Trommler und ein Pfeifer. Von den 6 Zügen, die sich anschlossen, umfaßte jeder 30 Musketiere in 6 Gliedern nebst 2 Korparalen, wobei der eine an der Spitze, der andere am Schlusse marschierte. Im 1. Gliede jedes Zuges waren 3 Gefreite, nach dem 2. Zug folgten die Schützen des Leutnants, darauf der Leutnant, der Sergeant, 2 Trommler und 2 Pfeifer. Der 3. Zug bestand aus 40 Pikenieren (=Spießträger) in 8 Gliedern. Zwischen dem 3. und 4. Glied des 3. Zuges war der Fähnrich eingereiht. Nach ihm kamen 1 Trommler und 1 Pfeifer. Den Schluß der Marschordnung bildeten die 12 Roßmetzger. - Die Landfahnen, später Bürgerwehren genannt, wurden 1807 neu organisiert und nach dem Krieg 1866, in dem sie ihre völlige Unbrauchbarkeit bewiesen, am 1. Januar 1870 aufgehoben.

 

 

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