Umbau von Wildenreuth nach dem Brand von 1851


Die geraden Straßen, welche jetzt Wildenreuths Aussehen von dem anderer Dörfer unterscheiden, wurden nach dem vernichtenden Brande vom 2. Juli 1851 angelegt.
Der ganze Kern des Dorfes war in Schutt und Asche verwandelt, nur die steingemauerten Kamine ragten über das Feld der Verwüstung, selbst das Schloß war dem Feuer zum Opfer gefallen, die Kirche allein war gerettet worden.

Für den Wiederaufbau schalteten sich die Behörden ein. Zunächst war der Landrichter von Erbendorf zuständig, welcher die Aufgaben eines (heutigen) Amtsrichters und eines (heutigen) Landrates in sich vereinigte. Ihn unterstützte als Fachbehörde die Bauinspektion in Weiden.
Den Behörden war klar, daß beim Wiederaufbau die Feuersicherheit die Hauptsache sein mußte. Schon 7 Tage nach dem Brande legte der Bauköndukteur (Bauführer) von Weiden einen Generalbebauungsplan vor. Dieser wurde für die Baugeschichte des Dorfes von entscheidender Bedeutung, Die meist engen, gewinkelten Gassen sollten durch gerade, ungefähr 10 Meter breite Straßen ersetzt werden, die Häuser mit steinernen Wänden und feuerfesten Dächern gebaut werden. Vorher hatten, wie man in dem Verzeichnis der Schäden, das die Behörde aufstellte, noch lesen kann, fast alle Häuser, selbst das sogenannte Obere Schloß, Wände aus Fachwerk und brennbare Dächer gehabt. Massive Wände besaß nur das Pfarrhaus, das Wirtshaus, das herrschaftliche Brau- und Mulzhaus und das Schloß.

Baukondukteur Bachmann stellte nach Besichtigung des Dorfes fest, daß durch Wildenreuth zwei Hauptstraßen führten, die eine fast genau von Süden nach Norden, die andere von Westen nach Osten. Diese Wege seien durch unregelmäßiges Aufbauen der anstoßenden Häuser sehr winkelig, könnten aber leicht in regelmäßigen Anlagen hergestellt werden. Mit diesen zwei Straßen meint er die Straße von der Herrenmühle bis zum katholischen Schulhaus und die lange Straße, die von der Trod herein bis auf den Damm des Schimmelweihers (damals „Badweiher“ genannt) führt. Er entwarf ferner zwei neue kürzere Hauptstraßen gleichlaufend mit diesen: eine Straße vom Kirchenplatz und Eingang des Schloßhofes gerade auf die erstgenannte Süd-Nord-Straße zu und eine Straße quer am Schloßeingang und Kirchturm vorbei. Von deren südlichem Ende legte er eine Verbindungsstraße nach der Süd-Nord-Straße.

Auf diese Weise gewann er rechteckige Blöcke, in welche die alten Anwesen in neuer Ordnung eingegliedert werden sollten.
Das ging freilich nicht in allen Fällen. In der neuen Kirchgasse standen drei Gebäude, welche sie sperrten: der Pfarrhof (zwischen der jetzigen Scheune des Gasthofes und dem Viehstall des Schlosses) der damalige Gasthof knapp vor dem Kirchturm und die Schafhütte der Gutsherrschaft. Die künftige lange Gasse war unten in ihrer ganzen Breite von dem Viertelhöfler Johann Steiner und dem rückwärtigen Teil des Rastenhofes eingenommen.
Solche Fälle erforderten größere Verschiebungen, man kann sie Umsiedelungen nennen. Der Pfarrhof wurde an seine jetzige Stelle versetzt, wo die Gutsherrschaft aus ihrem Schloßgarten Bauraum gab und zwei kleine Häuschen wegversetzt wurden. Der Gasthof des Christian Lehner wurde um Straßenbreite vom Kirchturm abgerückt, der verbleibende Platz war ihm aber zu eng. Weil ihm im Gebiet des jetzigen Gasthofes auch der Rastenhof gehörte, verlegte er seinen Betrieb dort hinüber. Ein kleinerer Hof, der sich auch in diesem Raum befunden hatte, dem Mulzer Trötsch gehörig, ließ sich seitwärts verschieben und ergab eine dritte Ecke des Blockes. An der Rückseite des Mulzers wurde Johann Steiner in die vierte Ecke des Rechteckes eingefügt. Damit er aus der künftigen Straße so weit wegrücken konnte, mußte des Mulzers Anwesen nach vorne in ein dreieckiges Plätzchen hineingebaut werden, zu dem sich die Straße vom Schloßeingang erweitert hatte.

Damit die Süd-Nord-Straße das katholische Schulhaus, das Ziel ihrer Baulinie, richtig erreichen konnte, mußte der Ellenbauer sein Haus fast um Straßenbreite zurückrücken. An der neugestalteten Mittelstraße bildeten der Gasthof und Mulzer nunmehr eine gerade Linie, die Gegenseite mit drei Höfen zeigte schon die gerade Linie, aber die beiden äußeren mußten jeder einen äußeren Streifen an die Kirch- bzw. an die Pfarrstraße abgeben. Der mittlere hat bei einer der Verhandlungen so geschimpft, daß er einen Tag im Arrest sitzen mußte.

Anderswo wurde die neue Baulinie vorgerückt, zum Beispiel vom neuen Pfarrhof bis zu Stock und Schieder und an der langen Gasse alle Häuser von Nummer 32 bis Nummer 37, wodurch sie in der Tiefe Platz gewannen. Diese Beispiele mögen genügen. Wer den Ortsplan vom Jahre 1839 auf dem besonderen Katasterblatt studieren kann, wird noch viel mehr finden, weil darauf nicht nur die Gebäude, sondern auch die Besitzgrenzen eingetragen sind.

Diese Umformung sollte der Feuersicherheit des Ganzen dienen, Vorschriften über die Bauweise der Gebäude förderten die Sicherheit im einzelnen. Steinerne Wände und nicht brennbare Dächer wurden unbedingt gefordert. Gegen die zuerst geforderten Ziegelplatten wehrten sich die Geschädigten mit Erfolg und setzten mit Genehmigung der Regierung in Regensburg Schieferdeckung durch. Die Ställe mußten gewölbt sein und sollten keinen Eingang vom Haus her haben. Letztere Bestimmung wurde von sämtlichen Totalgeschädigten wegen ihrer unbequemlichkeit bekämpft. Sie wurde aufgehoben, wenn der Vorplatz des Hauäes gewölbt wurde. Feuermauern mußten 2 Fuß über das Dach hinausgehen.

Unter den Grundgedanken für die erste Planung befand sich der Wunsch, alle Schäden aus dem Orte hitauszuverlegen. Schon die erste Ortsbesichtigung durch den Baukondukteur ergab, das dies wegen des Geländes und der entstehenden weiten Wege unmöglich war.
Mit der von der Behörde angegebenen Gesamtplanung waren die Bauern einverstanden. Als sie am 9. Juli zusammengerufen und einzeln befragt wurden, brachten nur einzelne ein kleines Bedenken vor. Der Vertreter der Gutsherrschaft, Stadtschreiber Witt von Erbendorf, erklärte, die Herrschaft sei an der Aufstellung des Planes nicht beteiligt, sondern müsse sich ihm unterwerfen. Einen ernsthaften Einspruch erhoben nur die Männer der protestantischen Kirchenverwaltung gegen die Lage des neuen Pfarrhauses, hauptsächlich wegen der Entfernung von der Kirche. Als aber die anderen Gemeindeglieder einzeln befragt sich mit der Neuerung einverstanden erklärten, ließen sie ihn fallen.

Neben der Herrenmühle mußte der Baukondukteur auf den Eihspruch mehrerer Beteiligter seine Baulinie ändern. Der Nachbar Andreas Frieser (Haus-Nummer 4) sollte ursprünglich sein neues Haus so stellen, daß das schmale Gäßchen zwischen ihm und der Mühle noch enger geworden wäre. Bachmann erkannte an, daß dies nicht gehe, und beließ die ursprüngliche Breite mit Rücksicht auf den Verkehr zum Haus Nummer 1 wo Georg Trötsch, der spätere Plotschmied, sein Geschäft betrieb (jetzt Bergler), und zu den Wiesen.

Andere Stellen, an denen geändert wurde, erfordern eine etwas knifflichere Beschreibung. Die Lange Gasse von der Trod herein wurde vom katholischen Schulhaus ins Dorf hinein erst freigemacht, wie bereits angegeben wurde. Vorher lief ein Weg vom Damm des Schimmelweihers her durch den Raum der heutigen Anwesen 32 (Simmerl) und 33 (Steinhauser), gabelte dann zu einem Weg in Richtung auf das katholische Schulhaus einerseits und einem hinter den Anwesen 34 bis 37 andererseits. Diese Häuser wurden an die neue gerade Baulinie vorgerückt, das Weglein dahinter verschwand.

Vom genannten Schulhaus hinauswärts bestand schon eine fast gerade Linie, in die Rosenschon und die Gutsherrschaft leicht einrücken konnten. Das herrschaftliche Wohnhaus, das jetzt hier steht, wurde neu errichtet. Sein Vorgänger, das sogenannte Obere Schloß, stand am rückwärtigen Rande des Grundstückes auf der Höhe. Daran schloß sich nach rückwärts der Schloßgarten an. Einen Teil von diesem trat die Gutsherrschaft als Hof und Garten an das neue Pfarrhaus ab.

Beim Wiederaufbau von Wildenreuth nach dem großen Brand am 2. Juli 1851 mußte der Baucondukteur (Bauführer) Bachmann aus Weiden bei der Mühlgasse (im Volksmund „Hühnergasse“ genannt) seinen am Reißbrett entworfenen Plan ändern. Der Plan sah vor, daß das Haus des Andreas Frieser so gestellt wurde, daß zwischen ihm und der Herrenmühle die Gasse noch enger geworden wäre. Bachmann sah das ein und änderte seinen Plan mit Rücksicht auf den Verkehr zum Haus Nummer 1, wo Georg Trötsch, der spätere Plotschmied, sein Geschäft betrieb und damit man zu den Wiesen oberhalb der Knierermühle gelangen konnte.

Zwischen dem katholischen Schulhaus und Rosenschon war ein simultanischer Zehentstadel gestanden, in welchem die Einkünfte der Simultan-Kirchenverwaltung, soweit sie in Getreide bestanden, gesammelt worden waren. Er wurde auf die beiden Nachbarn verteilt.

An der Stelle des neuen Pfarrhofes befanden sich drei kleine Häuser: Andreas Schweininger, Schuhmacher, Johann Adam Schieder, Schneider, und die Wohnung des herrschaftlichen Amtsknechtes. Die beiden Handwerker wurden in die „Lumpen“ umgesiedelt, wo von früher her das Hirtenhaus der Gemeinde und das herrschaftliche Hirten- und Schäferhaus gestanden war.

Die Verschiebung der Grenzen brachte begreiflicherweise mancherlei nachbarliche Zwistigkeiten. Sie wurden aber durch den Gedanken gedämpft, daß langwierige Prozesse die endgültige Vermessung, die Auszahlung der Brandversicherung und den so dringend notwendigen Beginn des Wiederaufbaues verzögern würden.

Versuchen wir, einen Überblick über das gesamte Werk zu gewinnen! Die Arbeit war einem Baubeamten zugefallen, der für städtische Aufgaben geschult war, wo die gerade Baulinie herrscht, die Häuser geschlossen nebeneinander stehen und zu Blöcken zusammen gefaßt sind. Nach diesem Leitbild arbeitete er. Sein erster Gedanke war, zwei möglichst lange und gerade Straßen durch das Ruinenfeld zu ziehen und streng paralell dazu weitere gerade Straßen auf dem Reißbrett zu entwerfen.
In die so entstehenden Blöcke preßte er die Bauernhöfe. Den inneren Teil der langen Gasse, der in leichten Kurven hätte geführt werden können, hat er gewaltsam begradigt. Die sogenannte Kirchgasse wurde ohne Rücksicht auf bestehende Gebäude gerade durchgezogen.

Das dreieckige Plätzchen, zu welchem sich die mittlere Straße erweitert hatte, wurde durch den Mulzerschen Hof verbaut und damit Wildenreuth zu einem Dorf ohne Platz gemacht.

Die große Linde in der Mitte des Dorfes, ohnehin vom Brande schwer beschädigt, wurde ohne Nachfolgerin beseitigt.

An der Straße vom neuen Pfarrhaus hinab gegen den Herrenmühlweiher wurden die Häuser dem Lineal zuliebe auf der westlichen Seite vor auf der östlichen zurückgerückt.

Von der ursprünglichen Einteilung, welche aus den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Landwirte entwickelt worden war, blieb bei dieser „Dorfbereinigung“ nicht viel übrig.